Rede für die Demo am 08.02.2025 an der Fürther Freiheit vom Bündnis Fürth gegen Rassismus von Seden Kantarci, Vorsitzende des Integrationsbeirats der Stadt Fürth

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich bin nervös und ich denke, ihr solltet es auch sein. Ich bin nervös, weil ich in einem Land lebe, in dem sich der gesellschaftliche Diskurs gefährlich verändert.
Ich bin nervös, weil wir es zunehmend mit einer Gesellschaft der Polarisierung zu tun haben. In dieser Gesellschaft wird Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit nicht nur toleriert, sondern zum Teil sogar als akzeptable Haltung dargestellt. Was mal als Randmeinung galt, ist heute politischer Mainstreams.
Ich bin nervös, weil sich rechte Netzwerke über jegliche Grenzen hinweg gegenseitig bestärken und größer werden.
Ich bin nervös, weil das Abschiebeticket der AfD nur für „bundesweite Diskussionen“ sorgt, statt für einen „bundesweiten Aufschrei“.
Ich bin nervös, weil es nicht genug Empörung darüber gibt, dass Politik käuflich ist – die reichsten Männer der Welt machen sich selbst Platz auf der politischen Bühne. Und einer von ihnen gibt auf einem der größten Events dieses Jahres den Hitlergruß zum Besten – und das wird verharmlost. Ich bin nervös, weil ich mich fragen muss, ob tatsächlich kollektiv vergessen wird, wofür dieser Gruß steht.
Ich bin insbesondere nervös, weil es anscheinend nicht jedem Menschen in diesem Land die Nackenhaare aufstellt, wenn eine führende rechte Politikerin ganz ernsthaft behauptet, Hitler sei Kommunist gewesen und diese Message von ihren AnhängerInnen auch noch weitergetragen wird. Die dunkelste Phase unserer Geschichte verdrehen, Faschismus relativieren und das ohne Konsequenzen – das Loch, das hier gegraben wird, ist tief, sehr tief.
Ich bin nervös, weil schreckliche Gewalttaten wie in Aschaffenburg lieber instrumentalisiert als richtig eingeordnet werden. Der Ruf nach schärferen Regulierungen ist lauter als der Wille, die eigentlichen Ursachen dieser Tragödien zu bekämpfen. Ich bin nervös, weil diese Taktik auch noch funktioniert und damit das Recht auf Asyl auf der Kippe steht und überhaupt die Menschenrechte immer mehr über Bord geworfen werden.
Aber vor allem bin ich nervös, weil Fakten scheinbar weniger Wert haben als der Hass, der derzeit unsere Gesellschaft prägen will. Denn neben der gelebten Realität, gibt es genug Studien und Statistiken, die dem widersprechen, was populistische Rhetorik für ihre Agenda ausschlachtet.
Und langsam wird Nervosität zu Wut. Denn das hier ist meine Heimat – das ist deine Heimat, egal, wen du liebst, woher du kommst, woran du glaubst, wie du aussiehst – und ich sehe nicht ein, Menschen, Parteien, Bewegungen, die rechte Hetze betreiben, genau diese Heimat zu überlassen.
Es fühlt sich an, als würde mein Kopf vor lauter Unglauben explodieren, wenn ich heutzutage noch irgendwem erklären muss, dass MigrantInnen – Minderheiten – nicht die Ursache für gesellschaftliche Probleme sind. Sie sind Teil der Lösung.
Von den rund 83 Millionen Menschen in Deutschland haben fast 30 Prozent einen Migrationshintergrund – über die Hälfte ist hier geboren. Dabei ist unsere Vielfalt das, was das Sozialsystem stabilisiert und das Wirtschaftswachstum sichert. Aber während Institute Alarm schlagen, weil uns bis 2030 drei Millionen Fachkräfte fehlen, packt die AfD ganz offen und ungeniert Remigration in ihr Wahlprogramm.

Wann hat Hass und Ausgrenzung jemals ein gesellschaftliches Problem gelöst? Ganz einfach: noch nie. Stattdessen hilft ein Feindbild, eine imaginäre Bedrohung, natürlich wunderbar, um Zuspruch und Aufmerksamkeit zu bekommen. Willkommen zurück im Jahr 1933, wo mit dem Finger auf alles gezeigt wird, das anders ist.
Wir brauchen keine Hetze, keinen ganzheitlichen Rechtsruck. Ich will eine demokratische, menschliche Auseinandersetzung. Ist es nicht seltsam, dass in einem so aufgeklärten Land überall tausende Menschen für so etwas scheinbar Selbstverständliches wie Solidarität auf die Straße gehen müssen?
Und dennoch – solange die Politik restriktive Migrationspolitik als Lösung für den sozialen Frieden und das Sicherheitsgefühl im Land anführt, bleibt uns nichts anderes übrig. Auch unser Oberbürgermeister hat sich erst kürzlich in der ARD für das dänische Modell ausgesprochen, das übrigens viel mehr für ein „Abweisen und Spalten“ als für ein tatsächliches „Integrieren“ bekannt ist. Dabei liegt doch genau hier die Verantwortung der Stadt Fürth. Sie hätte die Möglichkeit, eine humane Asylpolitik zu gestalten und zu zeigen, dass es anders geht. Doch stattdessen entscheidet man sich bewusst für eine restriktive Grundhaltung. Hier muss ich fragen: Ist es nicht genau so ein Ansatz, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet?

So gibt man dem demokratischen Rechtsstaat übrigens auch den Rest:
Einmal Gesellschaft spalten; ganz viel extremistische Ideologien verbreiten;
eine große Portion Hass und Hetze normalisieren; ordentlich Angst schüren und diese bitte auch instrumentalisieren;
Wichtig ab jetzt: Nichts tun. Die soziale Unsicherheit wird im Zweifel für dich arbeiten.
Ja, es ist die Unsicherheit, gepaart mit sozialen Spannungen, die Parteien wie die AfD für sich nutzen. Deswegen müssen wir auch endlich anfangen über mehr als nur die Migrationspolitik zu reden – zum Beispiel über Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und bezahlbare Mieten.
Was können wir tun? Nein. Was müssen wir tun? Wir müssen laut werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Rassismus, Faschismus und Radikalisierung zur Normalität werden.
Wir müssen lauter sein als antidemokratische Stimmen, lauter als der Rassismus und die Queerfeindlichkeit, der Antifeminismus und die Diskriminierung. Nicht nur heute, sondern immer und überall, wo wir auf Hass und Hetze treffen. Auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule oder an der Uni, an den Wahlurnen – und ja, auch im Internet, auf Facebook, Instagram, TikTok und Co.
Denn überall da, wo wir nicht laut sind – hinterfragen, widersprechen, handeln –, überall dort wird Hass normal.
Es ist schwer zu begreifen, wie sehr unsere Demokratie derzeit angegriffen wird und wie viele Menschen das einfach hinnehmen. Schlimm genug, dass bei den Wahlen 2025 eine Partei auf dem Zettel steht, die bereits seit 2023 im Verfassungsschutzbericht als rechtsextremistischer Prüffall gelistet wird.
Noch erschreckender ist nur, wie schnell die Brandmauer gefallen ist. Denn auch hier wird versucht, etwas zu normalisieren, das zuvor als unüberwindbare Grenze halt: die Zusammenarbeit mit einer rechtsextremen Partei. Der Konsens, dass Hass und Demokratiefeindlichkeit keinen Platz im politischen Diskurs haben dürfen, bröckelt, und das bereitet mir große Sorge. Sorge, weil unberechenbar wird, was bald noch als akzeptables politisches Mittel gelten wird.
Aber Aktionen wie Demos sind ein Reminder, dass ich damit nicht alleine bin. Dass du nicht alleine bist. Dass es eben doch genug Menschen gibt, die sich gegen den Faschismus und für eine vielfältige Gesellschaft aussprechen. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass zumindest die Brandmauer der Zivilgesellschaft standhaft bleibt.
Wenn Individuen oder Parteien wie die AfD laut sind, müssen wir noch lauter werden für eine Gesellschaft ohne Hass, für eine Demokratie mit Herz und Verstand und gegen eine Politik, die spaltet statt vereint. Heute, morgen, insbesondere am 23. Februar, aber auch darüber hinaus muss gelten:

  • Keine Stimme für die AfD und andere rassistische Parteien
  • Gegen Umweltzerstörung und Gewalt jeglicher Art
  • Für Frieden, Toleranz und echte Zukunftsc