Offener Brief zu den Forderungen nach Abschiebeverschärfungen
Sehr geehrter Herr OB Dr. Jung, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
Ihre Forderungen nach Verschärfungen der bisherigen Abschiebregelungen bis hin zur Abschiebehaft stoßen beim Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf Verwunderung und Befremden. Wir wenden uns entschieden gegen die Instrumentalisierung der abscheulichen Vergewaltigung von Mitte November in Fürth, in deren Zusammenhang ein Fürther Tatverdächtiger mit türkischer Staatsangehörigkeit festgenommen wurde.
Natürlich gehören Straftaten, wie diese entsetzliche Vergewaltigung verfolgt und deren Täter verurteilt. Dafürgibt es in Deutschland Gesetze. Wir sind jedoch verwundert, dass der besagte Fall zum Anlass genommen wird, um nach schärferen Abschiebegesetzen zu rufen.Laut Polizei ist der 37-jährige Tatverdächtige hier geboren, aufgewachsen und sozialisiert worden. Daraus wird offensichtlich, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem in unserer Gesellschaft darstellt und nicht importiert worden ist. Diesen Fall zu verwenden um die – von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten seit langem genutzte – Forderungen nach härteren Abschiebegesetzen aufzustellen, halten wir für nicht nachvollziehbar und gefährlich; Frauen werden dadurch nicht vor Gewalt geschützt.
Abgelehnte Asylbewerber und ausreisepflichtige MigrantInnen werden durch die populistische Forderung unter einen Generalverdacht gestellt und pauschal in die Nähe von Kriminalität und sexualisierter Gewalt gerückt.
Der deutsche Rechtsstaat sieht vor, dass Menschen fast ausnahmslos ihrer Freiheit beraubt werden dürfen, wenn sie für eine schwere Straftat verurteilt wurden (oder dieser verdächtigt werden). Dieses grundrechtliche Prinzip sollte in einer demokratischen Gesellschaft verteidigt werden. Menschen in eine Gefängnis zu sperren, ohne dass diese eine Straftat begangen haben, sondern nicht freiwillig an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken, widerspricht diesem Grundrecht auf „Freiheit der Person“, insbesondere wenn dies – wie von Ihnen gefordert – über einen unbestimmten Zeitraum erfolgen soll.
Wir halten es dagegen sehr wohlfür wichtig, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen in der Öffentlichkeit stärker problematisiert wird. Jede vierte Frau in Deutschland ist mindestens einmal im Leben davon betroffen – Tendenz ist steigend. Solche Gewalttaten kommen laut Gesa Birkmann von Terres des Femmes in allen gesellschaftlichen Milieus vor. Opfer sind in der Regel Frauen, die Täter Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten und sowohl Deutsche als auch Migranten. Dagegen helfen jedoch keine Abschiebegefängnisse, sondern eine Ächtung von Sexismus in der Gesellschaft und konsequente Verfolgung von sexueller Gewalt.
Gewalt gegen Frauen wirksam zubekämpfen würde bedeuten, dass Präventionsprogramme, Frauenhäuser und Fachberatungsstellen mit ausreichenden finanziellen Mitteln und genügend Ressourcen ausgestattet werden. Dies ist leider nicht der Fall. Beispielsweise müssen Frauenhäuser – auch in Fürth – oftmals Frauen abweisen, da sie zu klein sind und wenig Platz haben. Sich hier zu engagieren stünde unserer Meinung nach dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat von Fürth besser zu Gesicht, als nach Abschiebehaft zu rufen.
Bereits heute ist es so, dass Abschiebehaft in mehr als der Hälfte der Fälle zu Unrecht angeordnet wird; die Abschiebhäftlinge werden wie Straftäter behandelt. Dies führt dazu, dass sich jedes Jahr Menschen in diesen Haftanstalten aus Verzweiflung das Leben nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Niklas Haupt und Anja Schmailzl
i.A. des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus