9. November 2018: Gedenken zum 80. Jahrestag der Progromnacht
Die Rede der Vertreterin des Fürther Bündnisses:
Wir vergessen nicht, so das Motto unseres Gedenkens zum 80. Jahrestag der Pogromnacht, welche auch in Fürth der für alle sichtbaren Auftakt zum Holocaust war.
Ich möchte noch ergänzen: wir vergessen nicht, wir schweigen nicht und wir werden aktiv gegen Hass und Hetze, die sich auch heute immer wieder in den Straßen Fürths beispielsweise bei Pegida-Aufmärschen, zeigt.
Ein Zitat von Primo Levi der seine Gedanken über Auschwitz als Überlebender zum Ausdruck bringt sehe ich als Auftrag für uns Nachgeborene.
Von welchem Land man
auf die Ruinen des Lagers schaut.
Denke, und tue alles was du kannst,
damit deine Pilgerfahrt
nicht umsonst gewesen ist,
so wie unser Tod nicht umsonst war…
Für dich und deine Kinder,
sind die Asche von Auschwitz
eine Warnung.
Handele so dass die furchtbare Frucht
des Hasses,
deren Spuren du hier gesehen hast,
nie wieder einen Samen abwirft
nicht morgen und niemals!
Damals rührte niemand einen Finger um das Feuer der brennenden Synagoge zu löschen.Niemand half den Jüdinnen und Juden, die in die kalte Nacht auf die Fürther Freiheit gezerrt wurden. Dort wurden die Opfer in aller Öffentlichkeit misshandelt und gedemütigt. Die Novemberpogrome leiteten den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden zu ihrer systematischen Verfolgung und Vernichtung ein.
Deutschland 2018 gibt allen Anlass zur Sorge und es ist nötiger denn je aktiv zu werden, aktiv gegen die Saat des Hasses, die mittlerweile häufig gegen Minderheiten geschürt wird.
Seit vielen Jahren wird in den Bielefelder Studien zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland davor gewarnt, dass bei 20% der Deutschen ein Potenzial schlummert, das rassistische, ausländerfeindliche und antisemitische Ressentiments pflegt. Spätestens in Chemnitz wurde deutlich, was es bedeutet, wenn dieses erwacht.
Seit im politischen Diskurs die Abwertung der Anderen zum Sagbaren gemacht wird, Grenzüberschreitungen im Sprachgebrauch, wie Antiabschiebeindustrie, Asyltourismus, Flüchtlingswelle, usw. an der Tagesordnung sind. Die Spaltung der Gesellschaft nicht nur durch die AfD, sondern auch von der sogenannten bürgerlichen Mitte forciert wird. Ein Herr Seehofer in nicht zu überbietender zynischer Art und Weise seinen 69. Geburtstag mit der Abschiebung von 69 Asylbewerbern ins Kriegsgebiet nach Afghanistan feiert, wird Leuten mit menschenfeindlichen Einstellungen das Selbstbewusstsein gegeben nicht am Rand, sondern im Zentrum der Gesellschaft zu stehen. Durch solche Äußerungen bekommt rassistisches Gedankengut auch noch regierungspolitische Weihen. Es wird deutlich: Je mehr man den Rechten politisch entgegenkommt, desto mehr fühlen sie sich berechtigt, weiter anzugreifen. Dieser Angriff meint uns alle, die wir uns als DemokratInnen fühlen, die wir uns für eine solidarische und tolerante Gesellschaft einsetzen.
Durch fehlenden Einspruch kommt es zur Ermutigung dieser 20% mit rassistischen Ressentiments und zu Hetzjagden, an denen nicht nur „echte“ Hardcore Nazis beteiligt sind, sondern nun auch Biedermänner und -frauen mit ganz unbiederen Gewaltwünschen. Gerade eine Institution die den Schutz der Verfassung zum Ziel hat, relativiert und verleugnet die Hetzjagden in Chemnitz. Hier wird deutlich nicht nur der, mittlerweile ehemalige Chef des Verfassungsschutzes, sondern die gesamte Institution ist das Problem. Schon durch die fragwürdige Rolle von V Leuten des Verfassungsschutzes bei den NSU Morden und dem Schreddern der Akten hat sich diese Institution delegitimiert.
Beunruhigt müssen wir uns heutzutage nicht nur der Frage stellen: Wie konnte damals der Holocaust passieren, wie konnten die Menschen damals nur zuschauen?
Sondern im Präsens: Wie können wir nur?
Wie können wir es ertragen, wenn Migration zur Mutter aller Probleme erklärt wird.
Wie können wir wegschauen, wenn zu nachtschlafender Zeit Menschen wieder aus den Betten gerissen werden beispielsweise für den nächsten Abschiebeflug am 13. November nach Afghanistan ins Kriegsgebiet?
Wie können wir schweigen, wenn Hass und Gewalt gegen Andersdenkende und oder Andersgläubige propagiert wird?
Wenn Europa das Recht auf Asyl mit Füßen tritt und Abschottung oberstes Ziel ist, ungeachtet dessen, dass dies den Tod von Tausenden Menschen in der Wüste und auf dem Mittelmeer zur Folge hat.
Wie können wir es zulassen, dass Gewaltverbrechen instrumentalisiert werden zur Hetze auf eine ganze Menschengruppe, die damit nichts zu tun hat.
Wie können wir aus Bequemlichkeit in der U-Bahn oder Arbeit schweigen, wenn rassistische Sprüche laut werden?
Das Gedenken, wohin solcher Hass führt, hat auch 80 Jahre später noch seine Berechtigung. Nein ist 80 Jahre später notwendiger denn je.
Die Millionen Toten, die dem Naziterror zum Opfer fielen und ermordet wurden mahnen uns.
Darum schaut nicht weg, greift ein. Werdet aktiv. Für ein solidarisches, tolerantes Fürth. Gegen jede Hetze, ob gegen Jüdinnen und Juden, Andersdenkende, Sinti und Roma, Homosexuelle oder Flüchtende.
Die Opfer von Auschwitz mahnen:
Handele so dass die furchtbare Frucht
des Hasses,
deren Spuren du hier gesehen hast,
nie wieder einen Samen abwirft
nicht morgen und niemals!