Die Rede des Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus vom 20. September
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Antifaschist*innen!
Nachdem es am 8.Mai, dem Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg, wegen der Pandemie nicht möglich war, das Denkmal der Öffentlichkeit zu übergeben, haben wir uns für heute entschieden, den Geburtstag von Rudolf Benario, der am 20.September 1908 geboren wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Antifaschist*innen!
Das lange Bemühen um ein würdiges Denkmal hat sich gelohnt.
Im Namen des Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus möchte ich mich bei allen bedanken, die sich seit Jahren, ja Jahrzenten eingesetzt haben, um hier an dieser Stelle das Gedenken an Rudolf Benario und Ernst Goldmann durchzuführen.
Ganz besonders möchte ich erinnern an Seppl Schneider, der die von den Neonazis zerstörten Birken 1930 mitgepflanzt hat und sich persönlich alljährlich um das Gedenken an diesem Platze kümmerte.
Erinnert sei auch an das Engagement von Herrn Lehner und seiner Schüler*innen, die durch ihre Geschichtsarbeit den feigen Mord an Dr.Rudolf Benario und Ernst Goldmann der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerufen haben.
Und schließlich gibt es seit Jahren den Infoladen Benario, einen Treffpunkt für die jungen Antifaschist*innen, die sich hier in Fürth mit an vorderster Front gegen die Neonazis eingesetzt und dazu beigetragen haben, dass sich die Nazis in Fürth nicht so ausbreiten konnten, wie die es gerne gewollt hätten.
Deren ganzer Hass und deren tiefe Menschenverachtung hat dann u.a. seit Jahren den drei wehrlosen Birken und der
Gedenkstätte gegolten, die sie durch feige Anschläge versucht haben zu eliminieren. Aber wir haben immer gesagt: Es wird ihnen nicht gelingen! Wir werden diesen Ort des Antifaschismus verteidigen. Wir glauben, dass uns allen dies mit diesem Denkmal gelungen ist!
Ich möchte mich deshalb ausdrücklich bedanken, bei allen, die sich seit zwei Jahren sehr engagiert um die Errichtung eines Denkmals gekümmert haben. Bei den beteiligten Stadträt*innen, bei den beteiligten Künstlern bzw. Handwerkern. Beim Grünflächenamt und dem Bauamt. Es war eine gute Zusammenarbeit und das Ergebnis ist ein Gewinn für die Stadt Fürth!
Das dieses Denkmal im Jahre 2020 – 75 Jahre nach der Befreiung von der faschistischen Barbarei – realisiert werden konnte ist etwas ganz Besonderes. Mit diesem Denkmal soll nicht nur erinnert werden an Dr. Rudolf Benario und Ernst Goldmann, die von den Faschisten im KZ Dachau zusammen mit Arthur Kahn aus Würzburg als erste überhaupt ermordet wurden. Warum? Weil sie Kommunisten waren, aus einem jüdischen Elternhaus stammten und weil sie schon vor 1933 sagten: „Wer Hitler wählt, wählt Krieg!“ Und weil sie kundtaten, dass sie nicht bereit sind für die Interessen des deutschen Kapitals zu krepieren. Ja – wie recht sie doch hatten!
Das Denkmal ehrt nicht nur Rudolf Benario und Ernst Goldmann, sondern alle Fürther Kämpfer*innen, die gegen die faschistische Barbarei eingetreten sind. Wie wir aus den Recherchen von Sigfried Imholz wissen, waren es 205 Fürther Frauen und Männer, die aus politischen Gründen von den Nazis verhaftet wurden, darunter 129 Kommunisten und 45 Sozialdemokraten. Zehn Kommunisten, zwei Sozialdemokraten, vier Zeugen Jehovas und ein Anarchist wurden umgebracht oder starben während der Haft. Es ist höchste Zeit sich dieser Menschen in Fürth würdig zu erinnern!
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Antifaschist*innen!
Niemals dürfen wir vergessen, warum wir hier und heute zusammenstehen.
Vergessen wir nicht die elf Millionen Menschen, die in den Konzentrationslagern, in den Zuchthäusern und den faschistischen Folterkellern umgebracht wurden.
Vergessen wir nicht die sechs Millionen Juden und die sechshunderttausend Sinti und Roma, die dem faschistischen Rassenwahn zum Opfer gefallen sind!
Vergessen wir nicht die Partisanen, die Wehrmachtsdeserteure, die Soldaten im Nationalkomitee Freies Deutschland und all die anderen Menschen, die im Widerstand gegen den Faschismus ihr Leben gelassen haben.
Wir danken und verneigen uns deshalb bei allen Menschen, die gegen den Faschismus gekämpft haben. Wir danken den alliierten Streitkräften. Wir danken insbesondere den Soldaten der Roten Armee, die zweifellos die Hauptlast dieses Krieges getragen haben. 27 Millionen Opfer kostete der 2.Weltkrieg allein den Völkern der Sowjetunion, die von den Faschisten als zu versklavende und zu vernichtende „Menschentiere“ angesehen wurden.
Liebe Antifaschisten*innen!
Aber es reicht eben nicht, sich bloß zu erinnern!
Denn was hier im Lande abgeht, ist eine Schande!
Seit längerem und lange vor „Corana“ wütet eine andere Seuche in Deutschland. Eine braune Welle der ideologischen Verseuchung, mit ebenfalls verheerenden Folgen für das Zusammenleben.
Nachdem die AfD nunmehr in fast allen parlamentarischen Gremien vertreten ist – jetzt ja leider auch in Fürth – versuchen deren Vertreter gegen alles zu hetzen, was nicht in ihr krudes Weltbild passt. Sie hetzen gegen Migrant*innen, gegen Andersdenkende und Andersfühlende. Antisemitische Verschwörungstheorien sind an der Tagesordnug.
Leider blasen viel zu viele mit diesen Rassisten und offenen Faschisten ins gleiche Horn, so dass es kein Wunder ist, wenn sich einzelne oder ganze Gruppen ermuntert fühlen, ihrem Hass freien Lauf zu lassen.
Rechte und faschistische Kräfte fühlen sich auch längst stark genug, um massiv in denunziatorischer, geschichtsrevisionistischer Art und Weise gegen den Antifaschismus vorzugehen.
Im Zentrum ihrer Angriffe steht dabei auch die „Antifa“, was immer darunter zu verstehen ist. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, das z.B. von Berlin aus das dortige Finanzamt versucht, der VVN BdA (der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschisten), der seit 1947 bestehenden, ältesten und größten antifaschistischen Organisation die Gemeinnützigkeit zu entziehen und sie somit zu ruinieren.
Ein Schlag ins Gesicht, nicht nur für die wenigen noch lebenden Widerstandskämpfer*innen, wie z.B. Esther Bejarano, die wir dann im Kulturforum erleben dürfen.
Besorgt zu sein, reicht längst nicht mehr: Denn Nazis sitzen nicht nur in den Parlamenten. Nazis knüpfen inzwischen ihre Netzwerke bei der Bundeswehr und bei der Polizei, wie uns einmal mehr diese Woche vor Augen geführt wurde. Und Nazis ziehen eine Spur des Terrors durch die Republik.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Antifaschist*innen!
Und noch eines muss gesagt werden: Es ist eine Schande für Deutschland und Europa, wie nicht nur aktuell mit den Geflüchteten an den Grenzen umgegangen wird. Auf der Flucht vor Krieg und Ausbeutung, der eigenen Lebensgrundlagen durch die imperialen Interessen beraubt, lässt man diese Menschen ertrinken, verdursten und verhungern. Das ist
blanker Rassismus der den Nazis in die Hände spielt, dem wir uns mit ganzer Kraft entgegensetzen müssen! Die aktuellen Geschehnisse nicht nur in Moria schreien danach.
Während für die Industrie, für die großen Unternehmen in den letzten Monaten innerhalb von Stunden unglaubliche Milliardeneuropakete geschnürt und lockergemacht wurden, entbrennt über die 12.000 in Moria dahinvegetierenden Menschen ein erbitternder Streit, wieviel Elend den geschundenen Menschen dort weiter zugemutet werden kann und wieviel davon für Deutschland „verkraftbar“ seien. Soviel zu den viel beschworenen Wertekanon in Europa und Deutschland!
Der Vorstand der Lagergemeinschaft Dachau hat diese Woche dazu einen Brief veröffentlicht, mit der Überschrift: „Erinnern und handeln“. Darin heißt es u.a.:
„Auf der Konferenz von Évian, die vom 6. bis 15. Juli 1938 auf Initiative des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zusammenkam, berieten die Vertreter von 32 Staaten und 24 Hilfsorganisationen über das Problem der rapide ansteigenden Flüchtlingszahlen von Juden aus Deutschland und Österreich“ (Wikipedia). Das Ergebnis war fast Null. Tenor der Staaten: Wir sind kein Einwanderungsland, wir könnten dadurch vor Probleme gestellt werden. Die Argumente damaliger und heutiger Politiker gleichen sich, wenn es darum geht, Menschen nicht zu retten und Hilfe zu versagen.
Hunderttausende Menschen hätten in der NS-Zeit gerettet werden können. Stattdessen wurden die meisten Menschen, die Flucht wagten, an den Grenzen verhaftet und ins Nazireich zurückgeschickt.
Der Weg in den Holocaust hat auch diese Vorgeschichte.“
Weiter heißt es in dem Brief:
„Wir Überlebende, Angehörige und Nahestehende von ehemaligen NS-Opfern sehen es als unsere Verantwortung, die
Aussage der ehemaligen Häftlinge „Nie wieder“ ernst zu nehmen und ihre glaubwürdige Umsetzung einzufordern.
Wenn wir aufhören, uns gegen die Verletzung von Humanität und Menschenrechten zu stellen, wenn wir die Zerstörung von Asylrecht und Flüchtlingsschutz zulassen, geben wir die Errungenschaften der Befreiung von Faschismus und Krieg preis.“
Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Antifaschist*innen!
Dieses Denkmal sollte uns helfen, das Vermächtnis der Kämpfer*innen gegen Faschismus und Krieg zu bewahren und zu verteidigen.
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ So steht es zitiert aus dem „Schwur von Buchenwald“, vom 19. April 1945 auf einer der tonnenschweren Tafeln.
Lasst uns in diesem Sinne arbeiten!
Vielen Dank!
20.09.2020